Im Jahr 897 begab sich in Rom eine schaurige Geschichte. Papst Stephan VI. ließ den schon verwesenden Leichnam seines verstorbenen Vorgängers Formosus aus dem Grab holen und machte dem Toten den Prozess. Eine Synode aus hohen Geistlichen sollte über Formosus und seine Verfehlungen urteilen.
Im Januar des Jahres 897 liegt ein unheilvoller Nebel über den Gassen Roms. Dunkle Gestalten flüstern von einem Frevel, so ungeheuerlich, dass selbst die erfahrensten Ermittler der Inquisition sich zweimal bekreuzigen. Mitten in der Nacht schleichen schweigende Männer zur päpstlichen Gruft. Ihr Auftrag: Exhumiert den Leichnam Papst Formosus, den Mann, der von seinen Feinden nicht einmal nach dem Tod verschont wird.
Am nächsten Morgen versammeln sich die Mächtigen im Lateran, der Pöbel drängt vor die Türen. Die Synode beginnt: Im Zentrum des kalt ausgeleuchteten Saals thront der Hauptverdächtige – halb verwest, eingekleidet wie zur Krönung. Papst Stephan VI., kalt und rachsüchtig wie ein erfahrener Kommissar, eröffnet das Verfahren gegen seinen verstorbenen Rivalen. Ein eigens ernannter Pflichtverteidiger, blass vor Angst, steht Formosus zur Seite – doch dieser schweigt eisig. Die Anklagepunkte sind schwer: Machtmissbrauch, Amtsanmaßung, Hochverrat. Das Gericht ist ein Tribunal, die Jury aus Feinden.
Während Stephan seine Zeugen aufruft und Beweisstücke präsentiert – päpstliche Siegel, das rechte Schwurhändchen des Angeklagten –, zieht sich das Netz um den Toten immer enger. Das Publikum verfolgt mit morbider Neugier jeden Schritt: Wie wird der Fall ausgehen? Als das Strafmaß besiegelt ist, zücken die Henker das Beil, Finger werden abgetrennt, Kleider vom Kadaver gerissen. Der Fall Formosus endet mit einem makabren Finale: Der Leichnam wird – zur Strafe für Vergehen im Leben – in den Tiber geworfen.
Doch Rom, voller Abgründe und Intrigen, ist nachtragend: Bald fällt Stephan selbst dem Aufruhr zum Opfer. War es göttliches Urteil oder die unsichtbare Hand politischer Rivalen? Als die Gerüchteküche brodelt, spielt die Geschichte ihren letzten Trumpf: Formosus wird rehabilitiert, der Schauprozess bleibt als Schandtat, als düstere Legende, im Gedächtnis der Stadt zurück.